Die Predigten: “Es fehlet unsrer Stadt ja schier nichts”

Die festliche Weihepredigt bei der Einweihungsfeier der Universität am 5. Oktober 1665  hielt der Generalsuperintendent des gottorfischen Landesteils und Hofprediger in Schleswig, Johannes Reinboth. Am Sonntag, zwei Tage später, hielt Pastor Friedrich Jessen in der Nikolaikirche eine begeisterte Lob-, Denk- und Dankpredigt.

Friedrich Jessen war Hauptpastor an St. Nikolai in Kiel, sein Epitaph/Bild hängt noch heute in der Nikolaikirche.

 

Hauptpastor Friedrich Jessen am 20. Sonntag nach Trinitatis, dem 7. Oktober 1665, an der St. Nikolaikirche zu Kiel:

Jessen

„Der Allmächtige Gott hat uns viele herrliche Wohltaten dieses Ortes bewiesen. Es fehlet unsrer Stadt ja schier nichts, was zur Glückseligkeit einer Stadt gehören mag: Es wäre dann, dass wir nicht eben solche hohe Mauern und Wälle um uns hätten und anderen großen Städten an Vielzahl des Volkes und an großem übermäßigen Reichtum nicht zu vergleichen wären…

Er hat uns gesegnet, nicht nur mit leiblichen, sondern auch mit geistlichen Gütern; mit reiner Lehre und Predigt seines Heiligen Evangeliums. Und über dem allen, als ob dieses noch zu wenig wäre, hat Gott uns in diesen Tagen mit einer neuen Gnadenwohltat durch Aufrichtung einer fürnehmen hohen Schulen gesegnet, damit alle vorige Glückseligkeiten um ein sehr großes Stück verbessert und vermehrt seien. Solange die Welt gestanden, hat unsere Stadt und dies Holsteinische Land ein solches Kleinod nicht gehabt.

Es ist ein Großes, dass unser Gott an Speis und Trank mit milder Hand hier bescheret hat alles, was zur Leibesnotdurft und Nahrung nötig ist. Aber viel größer ist, dass er vermittelst der hohen Schule als einer liebreichen Mutter unsere Jugend nun so reichlich speisen lässt mit Brot des Verstandes und tränken mit dem Wasser der Weisheit: Spr.15.v.3.

Es ist ein Großes, dass wir eine so wohl gelegene, lustige Stadt haben, die zwischen den fruchtbaren Bergen liegt mit Äckern und Wiesen, Lustgärten und Wäldern umgeben. Aber viel größer ist, dass es Gott der Herr vermittelst der hohen Schulen zum geistlichen Lustgarten und Paradies gepflanzt hat, da wir sehen so viel gelehrte Männer als Zedern auf dem Libanon gepflanzt….(Psalm 104,16).

Es ist ein Großes, dass wir eine zum Handel am Meere gelegenen Stadt haben, zumal der Umschlag ist für ein großes Kleinod zu achten, die große Messe oder Jahrmarkt unserer Stadt. Aber viel größer ist es, dass Gott vermittelst der hohen Schulen einen anderen Umschlag und Markt hat aufgerichtet: einen Markt der Weisheit, welchen wir vor der Türe haben, und der uns offen steht. Solche Glückseligkeit preist Salomon in seinen Sprüchen (Kap.3.v.13.) sehr hoch, wenn er sagt: Wohl dem Menschen, der Weisheit findet, und dem Menschen, der Verstand bekommt…..

Es ist vor allem ein sehr Großes, dass uns Gott der Herr die Heilsbrunnen seines heiligen Wortes hier gnädig eröffnet hat und mild hat hervor quellen lassen, dass ein jeder mit Freuden für seine Seele daraus schöpfen mag (Jes.12.v.3). Aber ein Größeres ist es, dass der liebe Gott vermittelst der hohen Schulen dieselbe so erweitert, dass sie dem Quellbrunnen des Paradieses gleich geworden ist, welcher sich in 4 Hauptwasser oder Ströme geteilt und in die vier Teile der Welt ergossen hat (Genes.2.v.10.11). Denn also werden sich auch nun von uns die Ströme der Weisheit durchs ganze Land und an alle Orte der Welt ergießen. Felices fore mortales, si bona sua noverint, hat jemand von den Alten recht gesagt. Also: glückselig werden wir sein, wenn wir diesen
Schatz recht bedenken und dankbar befunden werden. Seid dankbar in allen Dingen, denn das ist der Wille Gottes in Christo Jesu an euch. (1. Thess. 5,18)“

Generalsuperintendenten und Gottorfer Hofpredigers Johannes Reinboth in der Christian-Albrechts-Universität am 5. Oktober A.D. 1665 in der St. Nikolaikirche zu Kiel:

Johann Reinboth

„Es sei also diese neue Universität im Namen Gottes des Vater des Sohnes und des Heiligen Geistes dedizieret und eingeweihet.“

Gebet nach der Predigt:
„Wir befehlen dir auch, liebster Vater, dieses neue angehende Seminar. Sprich den Segen über Lehrer und Lernende. Gib ihnen die Weisheit, die um deinen Thron ist, dass großer Nutzen möge geschaffen werden und ihre Arbeit zur Ausbreitung der wahren Religion, zu allerlei Wohlergehen der ganzen Christenheit, sonderlich dieser Fürstentümer und Länder, und zu vieler Seligkeit und andern Nutzen möge ausschlagen.

Wir befehlen dir auch diese gute Stadt Kiel, in welcher es dem lieben Gott gefallen hat, dieses schöne alvearium (Bienenkorb) zu setzen und diese Stadt damit zu ehren. Ach lass es zu der Stadt Aufnehmen und Euer Exzellenz und Wohlweisen Rats und der ganzen Gemeinde Wohlstand ausschlagen.
Es wünschen Ihre Durchlauch, der Akademie und dieser Stadt alle ehrlichen christlichen Herzen Glück. Es müsse wohlgehen denen, die dich lieben. Es müsse Friede sein inwendig in deinen Mauern und Glück in deinen Palästen. (Psalm 122, 6 + 7.)

Wir bitten dich schließlich auch um alles, worum du, ewiger Gott, willst gebeten sein, dass du uns solches alles verleihen, dem Teufel steuern, sein Reich zerstören und das Gnadenreich und alle freien Künste segnen wollest um Jesu Christi, deines lieben Sohnes, unseres Herrn willen. Amen!“

(Beide Texte für heutige Leser übertragen von Gerd Heinrich)